In Deutschland leben mehr als 6 Millionen Menschen mit Typ-2-Diabetes – Tendenz steigend. Langzeitkomplikationen können die Lebensqualität senken und zu einem vorzeitigen Tod führen. Essverhalten, körperliche Aktivität und andere Lebensstilfaktoren gelten als ein Schlüssel, um den Ausbruch und die Entwicklung der Stoffwechselerkrankung zu beeinflussen. Besonders eine Ernährung mit vielen unlöslichen Ballaststoffen – vornehmlich aus Vollkornprodukten – soll schützen. Zu diesem Schluss kommt eine Reihe großer epidemiologischer Beobachtungsstudien. Doch Menschen, die sehr viele Vollkornprodukte essen, leben oft auch insgesamt gesünder. Somit war bisher unklar, ob die positiven Effekte tatsächlich von den unverdaulichen Pflanzenfasern kommen.
Der Wirkung von Ballaststoffen auf der Spur
Kabisch und sein Team wollten genau verstehen, ob und wie unlösliche Ballaststoffe vor Typ-2-Diabetes schützen können. Dafür führten sie eine randomisierte Studie, die Optimal Fibre Trial for Diabetes Prevention, kurz OptiFiT-Studie, durch. „Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass unlösliche Ballaststoffe tatsächlich wirken: auf den Blutzucker und möglicherweise auch auf andere Stoffwechsel-Baustellen“, sagt Dr. Stefan Kabisch, Studienleiter und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Klinische Ernährung/DZD am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE). Bereits über vorherige Analysen der OptiFiT-Studie fanden die Forschenden heraus, dass sich unlösliche Ballaststoffe u.a. positiv auf den Langzeitblutzuckerwert auswirken. „Die Daten aus den aktuellen Untersuchungen zeigen nun, dass es Subgruppen von Patienten gibt, die besonders stark von den Ballaststoffen profitieren. So verbesserte sich insbesondere bei Probandinnen und Probanden mit einem zusätzlich erhöhten Nüchternzucker die Glukosetoleranz und bei Adipösen die Entzündungswerte, wenn sie sich in der Ballaststoffgruppe befanden“, erklärt Kabisch.
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Ablauf der OptiFiT-Studie
Zwischen März 2010 und Oktober 2012 nahmen insgesamt 180 Probandinnen und Probanden mit einer Vorstufe des Typ-2-Diabetes an der Studie teil. Die Teilnehmenden bekamen eine identische Ernährungsberatung und wurden zusätzlich in zwei Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bekam über zwei Jahre täglich zweimal unlösliche, auf Hafer basierende Ballaststoffe in Form eines Trinkpulvers. Die zweite Gruppe erhielt währenddessen nur ein Placebo, also ein Trinksupplement ohne Ballaststoffe. Um einschätzen zu können, ob sich wirklich eine Verbesserung des Stoffwechsels abzeichnete, führte das Forschungsteam Blutzuckerbelastungstests durch. Als verblindete Studie wussten weder Probandinnen und Probanden noch Forschende, wer welches Supplement bekam. „Rein methodisch handelt es sich somit um eine sehr hochwertige Studie, die ziemlich genau sagen kann, ob es wirklich die unlöslichen Ballaststoffe waren, von denen die positive Wirkung ausging“, sagt der Studienarzt.
Besonderer Nutzen für Patienten mit erhöhtem Nüchternzucker
Der verstärkte Nutzen der unlöslichen Ballaststoffe für Personen mit auffälligem Nüchternzucker deutet möglicherweise darauf hin, dass insbesondere Patienten mit einer Fettleber von der Behandlung profitieren könnten. „Prädiabetiker mit erhöhtem Nüchternzucker haben nämlich oft auch eine Fettleber. Patienten ohne Fettleber haben möglicherweise keinen so großen Nutzen von einer ballaststoffreichen Ernährung“, so Dr. Stefan Kabisch. Da in der OptiFiT-Studie jedoch nicht bei allen Patienten eine Fettlebermessung erfolgte, bleibe nur die Interpretation über diesen Umweg. Prädiabetiker mit erhöhtem Nüchternzucker sind zudem übergewichtiger als solche mit normalem Nüchternzucker. Das Übergewicht erklärt nach der neuen Auswertung der OptiFiT-Studie aber nicht den besonderen Vorteil der Prädiabetiker mit erhöhtem Nüchternzucker. „Der Zusatznutzen hinsichtlich der Entzündungsprozesse bei Adipösen ist aber ein eigenständiger Vorteil. Die neuen Analysen liefern daher einen wichtigen Impuls in Richtung individualisierte Ernährungstherapie“, so Kabisch.
Mit Biomarkern zur individualisierten Ernährungstherapie
Im nächsten Schritt möchten die Forschenden die Daten der OptiFiT-Studie für Analysen zu bestimmten Biomarkern nutzen, die mit der Fettleber und der beobachteten Stoffwechselverbesserung in Zusammenhang stehen. Ziel ist, zukünftig voraussagen zu können, wer auf welche Nahrungskomponenten wie anspricht. Außerdem soll es Folgestudien mit neuen Probandinnen und Probanden geben, die die aktuellen Ergebnisse bestätigen.
Literatur:
Original-Publikation
Kabisch, S., Meyer, N. M. T., Honsek, C., Gerbracht, C., Dambeck, U., Kemper, M., Osterhoff, M. A., Birkenfeld, A. L., Arafat, A.M., Weickert, M. O., Pfeiffer, A. F. H.: Obesity Does Not Modulate the Glycometabolic Benefit of Insoluble Cereal Fibre in Subjects with Prediabetes—A Stratified Post Hoc Analysis of the Optimal Fibre Trial (OptiFiT). Nutrients 11, E2726 (2019) Open Access [https://doi.org/10.3390/nu11112726]
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Kabisch, S., Meyer, N. M. T., Honsek, C., Gerbracht, C., Dambeck, U., Kemper, M., Osterhoff, M. A., Birkenfeld, A. L., Arafat, A. M., Hjorth, M. F., Weickert, M. O., Pfeiffer, A. F. H.: Fasting glucose state determines metabolic response to supplementation with insoluble cereal fibre: a secondary analysis of the Optimal Fibre Trial (OptiFiT). Nutrients 11: e2385 (2019) Open Access [https://doi.org/10.3390/nu11102385]
Hintergrundinformationen:
Zur Meldung auf der DIfE-Website: www.dife.de/presse/pressemitteilungen/?id=1438
Ballaststoffe bilden eine Gruppe von vielen verschiedenen langkettigen Kohlenhydraten, die unsere eigenen Darmenzyme nicht verdauen können. Man unterscheidet zwischen Ballaststoffen, die in Wasser löslich oder unlöslich sind. Lösliche Ballaststoffe sind vorwiegend in Obst und Gemüse zu finden, unlösliche Ballaststoffe eher in Getreide und Hülsenfrüchten.
Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
Das DIfE ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).
-> www.dife.de, www.leibniz-gemeinschaft.de, www.dzd-ev.de
Pressekontakte:
Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt und Ernährungsforscher in der Arbeitsgruppe Klinische Ernährung/DZD, Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Tel.: +49 (0)30 450 514 429, E-Mail: stefan.kabisch@dife.de
Sonja Schäche, Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Tel.: +49 (0) 33200 88-2278, E-Mail: sonja.schaeche@dife.de